«In der Bau­lei­tung fehlt es gene­rell an Vorbildern»

Rund die Hälfte des Teams von Mint Architecture sind Frauen. Zwei von ihnen bewegen sich jeden Tag in einer starken Männerdomäne: die beiden neuen Bauleiterinnen Sara Speckinger und Christine Weisenberger. Sara Speckinger, Architektin HES, studierte in Genf und hat in den vergangenen zwanzig Jahren bereits viele grössere Baustellen geleitet. Sie übernimmt die Verantwortung der Bauprojekte von Mint Architecture in der Romandie. Christine Weisenberger steht als Junior Bauleiterin noch am Anfang ihrer beruflichen Praxis, nachdem sie zuerst Maschinentechnik studierte und sich danach im Bereich Bauleitung weiterbildete. Wir wollten die beiden Frauen ein bisschen näher kennenlernen.

Sara Speckin­ger (vor­ne rechts) und Chri­sti­ne Wei­sen­ber­ger (hin­ten links), die bei­den neu­en Bau­lei­te­rin­nen bei Mint Architecture.

Sara und Chri­sti­ne, wir freu­en uns sehr, bei Mint Archi­tec­tu­re gleich zwei Frau­en als Bau­lei­te­rin­nen vor­stel­len zu kön­nen. Wie spe­zi­ell ist die­ser Beruf noch heu­te für Frau­en und was fas­zi­niert euch dar­an?
Sara
: Die Welt des Bau­ens ist nach wie vor männ­lich, aber wir Frau­en haben mitt­ler­wei­le einen festen Platz dar­in gefun­den. Ich sehe die Posi­ti­on als Frau in die­ser Bran­che als Stär­ke und nicht als Han­di­cap. Wir sind meist kom­mu­ni­ka­ti­ver, sen­si­bler und wir mögen das Mul­ti­tas­king. Dies kommt uns in unse­rer Arbeit zugu­te, müs­sen doch vom Beginn bis zur Fer­tig­stel­lung eines Pro­jek­tes immer wie­der Lösun­gen gefun­den wer­den, wel­che die Anfor­de­run­gen des Pro­jekt­lei­ters und der Kund_innen erfül­len. Gleich­zei­tig müs­sen die Kosten im Rah­men blei­ben. Mich fas­zi­niert es, eine Bau­stel­le zu ver­wal­ten, zu sehen, wie sich der Bau ent­wickelt und am Ende ein fer­ti­ges Objekt zu über­ge­ben, das die Kund_innen zufrie­den­stellt.
Chri­sti­ne: Auch wenn in der Gesell­schaft nach wie vor das Bild eines Man­nes mit Bau­helm vor­herrscht, ist auf den Bau­stel­len doch ein Wan­del fest­zu­stel­len. Das ist sehr posi­tiv. Ich habe mich für den Weg der Bau­lei­te­rin ent­schie­den, weil er mir in einer von immer kür­ze­ren Pro­dukt­le­bens­zy­klen und Obso­les­zen­zen getak­te­ten Welt die Chan­ce bie­tet, län­ger blei­ben­de Wer­te zu schaf­fen. Das Spe­zi­el­le an den Pro­jek­ten von Mint Archi­tec­tu­re ist dabei, dass es nicht nur um die Erfül­lung von bau­li­chen Min­dest­an­for­de­run­gen geht, son­dern für die Endnutzer_innen gebaut wird. Mich begei­stert der Gedan­ke, an der Ent­ste­hung von Archi­tek­tur par­ti­zi­pie­ren zu kön­nen, die lang­fri­stig eine posi­ti­ve Aus­wir­kung auf die Men­schen hat, die sie nutzen.

Sara, du hast nach dei­nem Archi­tek­tur­stu­di­um früh die Ver­ant­wor­tung für gros­se Bau­stel­len über­nom­men. Wel­ches waren für dich rück­blickend die span­nend­sten Bau­pro­jek­te?
Die­se Fra­ge fällt mir immer schwer zu beant­wor­ten. Jedes Pro­jekt ist ein­zig­ar­tig und erzählt vie­le ver­schie­de­ne Geschich­ten. Was ich aber gemerkt habe ist, dass ich Reno­vie­rungs­pro­jek­te mag, weil es immer Unbe­kann­ten gibt. Dies ver­langt oft nach prag­ma­ti­schen und guten Lösun­gen. Etwas, was mir sehr liegt.

Hat sich dei­ne Rol­le auf der Bau­stel­le in den ver­gan­ge­nen Jah­ren ver­än­dert?
Nicht nur mei­ne Rol­le und die mei­ner Berufskolleg_innen hat sich ver­än­dert. Das gan­ze Bau­we­sen hat sich gewan­delt und erfor­dert heu­te eine hohe Wach­sam­keit bei der Umset­zung von Bau­pro­jek­ten. Die Tat­sa­che, dass die Unter­neh­men ihre Prei­se stän­dig sen­ken müs­sen, wirkt sich direkt auf die qua­li­ta­ti­ve Aus­füh­rung der Arbei­ten aus. Ich könn­te sagen, dass mei­ne Rol­le manch­mal stark der einer «Poli­zi­stin» ähnelt und es Situa­tio­nen gibt, die einem rat­los machen. So zum Bei­spiel, wenn offen­sicht­li­che Arbei­ten nicht aus­ge­führt wer­den, nur weil sie nicht expli­zit beauf­tragt wur­den. So wie bei­spiels­wei­se bei einem kürz­lich erleb­ten Fall, bei dem Schmutz­was­ser­lei­tun­gen in der Bau­gru­be ver­legt, aber vor dem Befül­len der Bau­gru­be nicht ans Netz­werk ange­schlos­sen wur­den. Das kostet enorm viel Zeit und Geld.

Chri­sti­ne, du hast zuerst Maschi­nen­tech­nik stu­diert und dich nun auf die Bau­lei­tung spe­zia­li­siert. Bei­de Berufs­grup­pen sind män­ner­do­mi­niert. Wie unter­schei­det sich dein Berufs­all­tag von dei­nen männ­li­chen Kol­le­gen?
Im Grund­satz unter­schei­det sich die­ser nicht so sehr. Ich den­ke, als Frau ist es vor allem wich­tig, nicht zu ver­su­chen, ein Mann sein zu wol­len, son­dern einen eige­nen Weg im Umgang mit den am Pro­jekt betei­lig­ten Per­so­nen zu fin­den. Zwei­fel­los gibt es Situa­tio­nen, in denen sich Frau­en mehr bewei­sen müs­sen und sie holen sich den Respekt sicher stär­ker über die fach­li­chen Fähig­kei­ten. Zudem haf­ten Frau­en oft Feh­ler län­ger an als den Männern.

Trotz­dem, Frau­en sind nach wie vor in der star­ken Min­der­heit. An was liegt dies eurer Mei­nung nach? Fehlt es an Vor­bil­dern?
Sara:
Frau­en sind im «Bau­ma­nage­ment» nach wie vor klar in der Min­der­heit, im Archi­tek­tur­stu­di­um hin­ge­gen in der Mehr­heit. Die Bei­le­gung von Kon­flik­ten, die es im Bau­all­tag immer wie­der gibt, kann schwie­rig sein. Ich den­ke, dass Frau­en, die die­sen Job machen, sich ger­ne mit die­sen Situa­tio­nen und mit der finan­zi­el­len Sei­te des Bau­ens aus­ein­an­der­set­zen, was histo­risch Män­nern zuge­schrie­ben wird (schmun­zelt). Ich war dazu­mal an der Fach­hoch­schu­le aus­schliess­lich mit Jungs in der Klas­se, die davor eine Leh­re als Bau­zeich­ner gemacht hat­ten. Die­se Pra­xis­be­zo­gen­heit und derer Art der Aus­ein­an­der­set­zun­gen mit den tech­ni­schen und finan­zi­el­len The­men haben mich ange­spornt und mir sehr Spass gemacht.

Chri­sti­ne: In der Bau­lei­tung fehlt es mei­nes Erach­tens gene­rell an Vor­bil­dern. Der Beruf pflegt ein gros­ses Schat­ten­da­sein. Selbst in Foren und Maga­zi­nen wer­den haupt­säch­lich Archi­tek­ten und Inge­nieu­re inter­viewt und deren Arbeit beleuch­tet, sel­ten jedoch die Tätig­keit und die Ein­fluss­mög­lich­kei­ten von Bau- oder Projektleiter_innen. Dadurch fin­det die­ses Berufs­bild bei den mei­sten kaum Beach­tung. Ein ande­rer Grund für den gerin­gen Frau­en­an­teil ist sicher­lich auch die Ver­ein­bar­keit von Fami­li­en- und Berufs­le­ben. Gera­de bei Gross­pro­jek­ten ist im Bau­lei­ter­be­ruf ein Teil­zeit­pen­sum nicht oder kaum möglich.

Sara, du bist als Bau­lei­te­rin das neue Gesicht von Mint Archi­tec­tu­re in der Roman­die. Wel­che Pro­jek­te ste­hen als erstes an?
Eines mei­ner ersten Pro­jek­te ist in enger Zusam­men­ar­beit mit Eli­sa­beth Mül­ler die Bau­lei­tung für die Filia­le der CSS Ver­si­che­rung in Nyon. Zudem arbei­te ich an den Vor­pro­jek­ten für ein wei­te­res Ban­ken­pro­jekt sowie für die Umset­zung eines MC Donalds im Wal­lis. Das sind sehr schö­ne und span­nen­de Projekte.

Chri­sti­ne, was sind dei­ne ersten Pro­jek­te und auf was freust du dich?
Ich lei­te in Zusam­men­ar­beit mit Isa­bel Lutz einen Büro­aus­bau im Cir­cle am Flug­ha­fen Zürich. Ich freue mich sehr dar­auf, das Pro­jekt, das für den Kun­den im Moment nur auf dem Plan exi­stiert, zu rea­li­sie­ren und hof­fe, dass es schö­ner wird, als er es sich vor­ge­stellt hat (schmun­zelt).

Zu den Per­so­nen

Sara Speckin­ger Lenoir (48) stu­dier­te an der Uni­ver­si­tät Genf (Eco­le Inge­nieur Genè­ve EIG) Archi­tek­tur und begann ihre beruf­li­che Lauf­bahn bei der ICC insti­tut con­seil pour la con­struc­tion S.A. Nach­dem sie in den ersten Jah­ren alle Facet­ten der Archi­tek­tur im Hoch­bau ken­nen­ler­nen konn­te, wech­sel­te sie 2005 zur Pri­ve­ra SA, wo sie erste Bau­pro­jek­te lei­te­te. In den fol­gen­den Jah­ren über­nahm sie unter ande­rem bei der Stadt Vevey, beim Actes Collec­tifs archi­tec­tes SA und bei der Félix Con­struc­tion SA die Ver­ant­wor­tung für Bau­ten. Dazu gehör­ten unter ande­rem die Reno­va­ti­on eines ehe­ma­li­gen Gefäng­nis­ses im Kan­ton Waadt in ein loka­les Ver­an­stal­tungs- und Ver­eins­haus, der Umbau des Jenisch-Muse­ums in Vevey, die Pfle­ge des Immo­bi­li­en­er­bes der Stadt Vevey und die Erwei­te­rung des Sport­zen­trums Saus­saz in Mon­treux. In den ver­gan­ge­nen Jah­ren bil­de­te sie sich lau­fend wei­ter und ver­fügt über gros­se Erfah­rung im nach­hal­ti­gen Bau­en, unter ande­rem in der Umset­zung des Minergiestandards.

Chri­sti­ne Wei­sen­ber­ger (34) absol­vier­te im deut­schen Lin­dau zuerst das Bache­lor-Stu­di­um in Maschi­nen­tech­nik und spä­ter das Stu­di­um Maschi­nen­tech­nik-Inno­va­ti­on (Bache­lor).
Wäh­rend des Stu­di­ums bau­te sie in Eigen­lei­stung ihr eige­nes Haus und ent­deck­te so ihre Begei­ste­rung für die Bau­bran­che. 2015 arbei­te­te sie zuerst als Prak­ti­kan­tin und dann als Bau­lei­te­rin bei der Immo­bi­li­en­ver­wal­tung Win­ca­sa. Nach ihrem Wech­sel zu einem Bau­lei­tungs­bü­ro, wo sie einer­seits im Neu­bau (Mehr­fa­mi­li­en­haus mit Psy­cho­lo­gi­scher Pra­xis der Sonn­weid Stif­tung) tätig war und ande­rer­seits Aus­schrei­bun­gen für die Sanie­rung der Über­bau­ung Tel­li erstellt hat­te, wech­sel­te sie im März 2021 zu Mint Archi­tec­tu­re.
Aktu­ell stu­diert Chri­sti­ne Wei­sen­ber­ger an der IU Bau­pro­jekt­ma­nage­ment im Fernstudium.

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